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Charles Fourier, Théorie des quatre Mouvements et des Destinées générales, 1808


Frühe Utopien

Charles Fourier, Théorie des quatre Mouvements et des Destinées générales, 1808

 

Elisabeth Lenk schreibt über Fourier:

Fourier fordert zur Gründung eines Hauses auf, das sich von den Gründungen der Zivilisation darin unterscheidet, dass es sogar eine neue geschichtliche Phase einleiten soll: die gesellschaftlicher Harmonie. ... ist ein aus 1600-1800 Personen aller Klassen, Generationen und Charaktere zusammengesetztes "Phalanstère", das primär auf land- und hauswirtschaftliche Arbeit gegründet, aber in seiner konkreten Form eher einer "cité future" ähnlich ist. Fourier hat einen genauen Plan des "Phalanstère", angefangen von Details wie die 2300 Hektar umfassende Fläche des Versuchskantons bis hin zu architektonischen Gebäudedetails, die für das Leben der Harmoniens, ihre Arbeiten und Feste, Liebesfreuden und Mahlzeiten entworfen worden sind. Sie sollen durch glasgedeckte, galerieartige Straßen miteinander verbunden sein, eine Konstruktion, die an Pariser Passagen erinnert. Fourier glaubt, das erste Phalanstère werde eine derartige Anziehungskraft ausüben, dass bereits in einem Zeitraum von wenigen Jahren mit einer weltweiten Verbreitung des Prinzips der leidenschaftlichen Serien zu rechnen sei. Die soziale Metamorphose könne sich vollziehen, ohne dass auch nur ein einziger gewaltsamer Handstreich geführt zu werden brauche. Könige, Kleriker, Wilde, Kapitalisten, Händler und Verbrecher werden sich mit all ihren Lastern harmonisch in die neue Ordnung begeben.

 

Zitate:

1 Wenn man die Wunderwerke der Industrie betrachtet, wie zum Beispiel die hohen Schiffe und andere Herrlichkeiten, die für unseren politisch unmündigen Zustand zu früh gekommen sind, kann man da glauben, dass Gott, der uns so erhabene Kenntnisse geschenkt hat, uns die der sozialen Kunst verweigern will, ohne die alle anderen nichtig sind?

 

2 Unsere Spinnen, Kröten und hundertdreißig Schlangenarten, ja selbst das jährlich sich verschlechternde Wetter, sind Spiegel, die Gott den Menschen vorhält, damit sie endlich erkennen sollen, dass sie auf dem falschen Weg sind. So sind künftig Schöpfungen von 549 neuen Tierarten zu erwarten, davon sieben Achtel zähmbare, außerdem werden Antikrokodile, Antilöwen, Antiratten und unzählige weitere erscheinen, von denen die mittelmäßige Philosophie sich nichts träumen lässt. Die Atmosphäre wird gereinigt werden durch die Rückkehr von fünf Sternen, die sich der Erde freundschaftlich zugesellen und ihr die Dienste von wohlwollenden Nachbarn erweisen.

 

3 Jeder Zwang erzeugt Verstellung, die folglich in der Familien-Gruppe auftreten muss, die weder frei ist, noch aufgelöst werden kann. Daher gibt es nichts Verlogeneres als die beiden Gesellschaften, die zivilisierte und die patriarchalische, in denen diese Gruppe vorherrscht. Die barbarische Gesellschaft, blutgieriger und repressiver als die unsere, ist doch weniger unter dem Einfluß der Familien-Gruppe, dieser ärgsten Brutstätte aller Falschheit, die es in der Bewegung gibt. Wegen ihrer Unauflöslichkeit ist sie Gott wesensfremd, der nur durch die Anziehungskraft oder die Freiheit der Bande und Impulse wirken will.

 

4 Die Natur verteilt die Talente willkürlich unter die Kinder beiderlei Geschlechts, so dass man unter achthundert und zehn wahllos vereinten Kindern die Anlagen zu jeder Vollkommenheit antreffen kann, die Menschen überhaupt erreichbar ist,...wenn sie vom dritten Lebensjahr an "vorbereitet" worden wären, das heißt, die natürliche Erziehung genossen hätten, die alle von der Natur zugeteilten Anlagen entwickelt ... Ist ersteinmal die ganze Erde organisiert und beträgt die Bevölkerung drei Milliarden, so wird es auf der Erde siebenunddreißig Millionen Dichter wie Homer, siebenunddreißig Millionen Mathematiker wie Newton, siebenunddreißig Millionen Autoren wie Molière geben, und so fort, bei allen nur erdenklichen Talenten.

 

5 Die Theorie der neuen Gesellschaftsordnung wird euch klarmachen, dass man die Natur entwickeln, aber nicht korrigieren sollte. Ein Kind scheint euch voller schlechter Anlagen zu stecken, weil es gefräßig, rauflustig, phantasievoll, rebellisch, unverschämt, neugierig und schwer zu zügeln ist. Dieses Kind ist das vollkommenste von allen, es würde in der neuen Gesellschaftsordnung am eifrigsten arbeiten ... heutzutage allerdings, das will ich zugeben, ist dieses Kind unerträglich, und das gilt für alle Kinder. Aber ich gebe nicht zu, dass es schlechte Kinder gibt. Ihre angeblichen Fehler sind das Werk der Natur. Diese Neigungen zu Gefräßigkeit und Zügellosigkeit, die ihr in allen Kindern bekämpft, sind ihnen von Gott gegeben, der den Plan, wie die Eigenschaften zu verteilen sind, wohl erwogen hat. Der Fehler liegt, ich wiederhole es noch einmal, bei der Zivilisation, die es nicht versteht, die Eigenschaften zu entwickeln und auszunützen, mit denen uns Gott begabt hat.

 

6 Über die Leiden der Männer in dem isolierten Haushalt

1. das Glück aufs Spiel setzen: mit einem Partner vereint zu werden, zu dem man nicht paßt

2. die Ausgaben: sind ungeheuer, wenn man sie mit den Einsparungen vergleicht, die in dem progressiven Haushalt möglich sind

3. die Wachsamkeit: Notwendigkeit, über alle Einzelheiten des Haushalts zu wachen, dessen Führung blindlings der Hausfrau zu überlassen nicht ratsam wäre

4. die Eintönigkeit: weswegen die Ehegatten...sich in Scharen an die öffentlichen Versammlungsorte, in Cafés, Cercles, Schauspiele etc. begeben. Diese Einförmigkeit ist für die Frauen noch schlimmer

5. die Unfruchtbarkeit: Eheband, das alle Hoffnungen zunichte macht

6. das Witwertum: Sträflingsrolle, viel drückender als die leichten Verdrießlichkeiten des Junggesellenlebens

7. die Angeheirateten

8. das Hahnreitum

 

7 In dieser Periode, die so einfach zu organisieren wäre, entfaltet sich die Freiheit der Liebenden und verwandelt die Mehrzahl unserer Laster in Tugenden, - wie sie die meisten unserer Eigenschaften in Laster wandelt.

Favorit und Favoritin

Erzeuger und Gebärerin

Gatte und Gattin

Eine Frau kann gleichzeitig haben: einen Ehegatten, von dem sie zwei Kinder hat, einen Erzeuger, von dem sie nur ein Kind hat, einen Favoriten, mit dem sie gelebt hat und diesen Titel beibehält, und außerdem gewöhnliche Beischläfer, die keine gesetzlichen Rechte haben. Diese Abstufung der Titel führt zu ungewöhnlicher Höflichkeit und großer Treue in den eingegangenen Bindungen. Diese Maßnahme verhindert jene Heuchelei, deren Wurzel die Ehe ist.

Egoismus und knechtische Gesinnung, wie sie die Ehe erzeugt, würden dadurch abgeschwächt. Diese verdirbt vor allem den Charakter der Frauen. Die Folge der Gefügigkeit, die man ihnen anerzogen hat, ist, dass sie alle Laster, aber nicht die guten Eigenschaften ihrer Gatten annehmen. Man verheirate ein junges Mädchen mit Robespierre, so wird sie nach einem Monat so grausam sein wie er und ihn in allen seinen Verbrechen bestärken. Diese sklavische Neigung der Frauen würde durch die Rivalität mit den damoiselles korrigiert. Sie haben keine Neigung, sich dem Mann anzugleichen, da sie ihn ja wechseln können, sondern zeigen einen edlen, unabhängigen Charakter und halten sich in allen Punkten von den Lastern frei, die dem Stand der Ehe eigen sind, so von dem Egoismus, den die Ehe aufs höchste steigert.

 

8 Dieses Versäumnis ist unverzeihlich, seit man Tahiti entdeckt hat, denn die dort herrschenden Sitten sind ein Wink der Natur, der den Gedanken an eine Gesellschaft hätte nahelegen müssen, in der die organisierte Arbeit mit der Freiheit in der Liebe vereint ist. Das ist der einzige Gegenstand, der der Schriftstellerei würdig wäre; ihre Gleichgültigkeit in diesem Punkt hat die Mißachtung der Männer nur gesteigert. Ein Sklave erscheint nie so verächtlich, wie wenn er durch blinde Ergebenheit den Unterdrücker davon überzeugt, daß sein Opfer für die Sklaverei geboren ist.

 

9 Wenn ihr das Weltall betrachtet, das er so herrlich eingerichtet hat, diese Milliarden Welten, die sich in Harmonie bewegen, müßt ihr erkennen, daß ein so großartiges Wesen mit der Mittelmässigkeit der Philosophie nicht übereinstimmen kann, und dass man ihm unrecht täte, wenn man von einer Gesellschaftsordnung, deren Schöpfer er ist, nur maßvolle Freuden erwarten wollte.

 

10 Solange die Menschen sich dreist dem universellen Gesetz der "attractions" (also: der Leidenschaften) widersetzen und zur Gewalt als der sozialen ultima ratio Zuflucht nehmen, solange bleibt auch Gott nichts anderes übrig, als das Mobiliar des Planeten diesem traurigen Zustand anzupassen.

 

11 Die drei attractions (Leidenschaften), die der Mensch in der neuen Gesellschaftsordnung erreichen kann, sind: cabaliste, papillone, composite - Streitlust, Veränderungsdrang, Begeisterungsfähigkeit. Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Fühlen, fünf Gelüste der Sinne; darauf folgen die vier einfachen Verlangen der Seele, nämlich: sechstens nach Freundschaft, siebtens nach Liebe, achtens nach Vaterschaft oder Familie, neuntens nach Ehrgeiz oder Korporation, Ehre. Hierauf folgen zehn, elf und zwölf, die Haupttugenden: Streitlust, Veränderungsdrang und Begeisterungsfähigkeit. Dreizehn ist dann Harmonie.

(Charles Fourier, 1772-1837, Übersetzung von G.v.Holzhausen, 1966, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main)

 

Reaktionen von Zeitgenossen:

 Fourier wollte "daß jedes Weib erstens einen Mann habe, von dem sie zwei Kinder empfangen könne, zweitens einen Erzeuger (Geniteur), von dem sie blos ein Kind haben dürfe, und drittens einen Liebhaber (Favorit), der mit ihr gelebt hat und diesen Titel bewahrt, und endlich viertens blos Besitzhabende (possesseurs), welche Nichts vor dem Gesetze sind ... Ein Mann, der ausdrücklich schreibt, daß ein Mädchen von 18 Jahren, das noch keinen Mann gefunden, zur Prostitution berechtigt sei - ein Mann, welcher verlangt, daß man alle Mädchen in zwei Klassen theile: die Jouvencelles, unter 18 Jahre, und die Emancipées, über 18 Jahre, welche letztere das Recht haben sollen, Liebhaber zu nehmen und uneheliche Kinder zu gebären - ein Mann, welcher ... behauptet, daß die nicht verheiratheten Mädchen, welche sich der Lust überlassen, höhere Eigenschaften genießen als verheirathete Weiber, ... welcher in allen Details beschreibt, wie eine ganze Armee unter der Aufsicht von Matronen sich der Prostitution ergeben solle, begreift nicht die ewigen Grundlagen der Menschheit." Sigmund Engländer: Geschichte der französischen Arbeiter-Associationen Hamburg 1864 I p 245 u 261/62 - Im gleichen Sinne: "Was soll man zu einem Systeme sagen, in dem die öffentlichen Mädchen Bacchantinnen genannt werden, und in dem behauptet wird, daß sie ebenso nothwenig sind als die Vestalinnen, und daß sie ... die Tugend der Brüderlichkeit ausüben? Ein System, in dem beschrieben wird, auf welche Art unschuldige junge Leute ihre Unschuld verlieren sollen." Engländer lc p 245/46



"Der Kommunismus ... ist ... in seiner ersten Gestalt nur eine Verallgemeinerung und Vollendung desselben (sc des Privateigentums) ... Der physische unmittelbare Besitz gilt ihm als einziger Zweck des Lebens und Daseins; die Bestimmung des Arbeiters wird nicht aufgehoben, sondern auf alle Menschen ausgedehnt; er will auf gewaltsame Weise von Talent etc. abstrahieren ... Man darf sagen, daß ... Weibergemeinschaft das ausgesprochene Geheimnis dieses noch ganz rohen und gedankenlosen Kommunismus ist. Wie das Weib aus der Ehe in die allgemeine Prostitution, so tritt die ganze Welt des Reichtums ... aus dem Verhältnis der exklusiven Ehe mit dem Privateigentümer in das Verhältnis der universellen Prostitution mit der Gemeinschaft ... Wie wenig diese Aufhebung des Privateigentums eine wirkliche Aneignung ist, beweist ... die abstrakte Negation der ganzen Welt, der Bildung und der Zivilisation; die Rückkehr zur unnatürlichen Einfachheit des armen und bedürfnislosen Menschen, der nicht über das Privateigentum hinaus, sondern noch nicht einmal bei demselben angelangt ist." Karl Marx: Der historische Materialismus ed Landshut und Mayer Lpz I p 292/293 (Nationalökonomie und Philosophie)

beide Zitate entnommen aus: Walter Benjamin, Das Passagen-Werk, Suhrkamp-Verlag Frankfurt am Main, 1982